
Vorarlberger Kinderdorf fordert Perspektivenwechsel
Zusammen mit über 60 Vorarlberger Sozialeinrichtungen ist auch das Vorarlberger Kinderdorf aktuell von Einsparungen bedroht. Die Einsparungen wurden Ende Oktober per E-Mail von der Landesregierung an die Einrichtungen kommuniziert und sollen ab 1. Jänner 2026 gelten. Damit sind viele Sozialbetriebe Vorarlbergs und ihre Leistungen für benachteiligte Kinder und Familien gefährdet.
Das Vorarlberger Kinderdorf ist mit Einsparungen in Höhe von fast 900.000 Euro in ambulanten und präventiven Unterstützungsangeboten sowie den Pflegefamilien konfrontiert. Betroffen sind Angebote, die über 2000 Kindern in Vorarlberg zugutekommen. Entgegen der offiziellen Darstellung der Landesregierung sind diese Tarifkürzungen nicht ohne Einbußen in den Leistungen und der Qualität umsetzbar. Sie trifft die vulnerabelste Gruppe der Gesellschaft: Kinder aus sozial schwachen, hoch belasteten Familien mit geringen Ressourcen und eingeschränkten Lebensperspektiven. Durch die Umsetzung dieser Kürzungen wird die Qualität des Kinderschutzes in der Kinder- und Jugendhilfe massiv gefährdet. Viele Vorarlberger:innen fordern uns aktuell dazu auf, uns zur Wehr zu setzen, weil sie wissen, wie wichtig eine möglichst frühe und zielgenaue Hilfe für ein gutes Aufwachsen aller Kinder und damit für unsere Zukunft ist.
„Es ist ganz einfach so: Wenn wir im Land Vorarlberg Straßen bauen, dann läuft das unter dem Titel ‚Investitionen‘. Wenn wir im Sozialbereich investieren, dann läuft es unter dem Titel ‚Kosten‘. Ich fordere hier einen Perspektivenwechsel. Wir sind keine ‚Kosten‘, wir sind ‚Investitionen‘ in die Zukunft unserer Gesellschaft.“
Simon Burtscher-Mathis, Geschäftsführer Vorarlberger Kinderdorf

Wir fordern deshalb einen Perspektivenwechsel: Die Ausgaben im Kinder- und Jugendhilfesystem sind nicht nur Kosten, sondern unerlässliche Investitionen in den Fortbestand einer leistungsfähigen und funktionierenden Gesellschaft. In einer alternden Gesellschaft ist die Entwicklung der Kinder für die Zukunft der Gesellschaft entscheidend. Bereits heute können 25% der Kinder nach der Pflichtschule nicht ausreichend sinnerfassend lesen und 20% der Kinder in Vorarlberg leben in von Armut betroffenen Familien. Durch die Sparmaßnahmen werden noch mehr Kinder ohne Chancen zurückgelassen. Wir wissen: Jedes Kind, dem durch die Unterstützung des Vorarlberger Kinderdorfs eine stabile Lebens- und Erwerbsbiografie gelingt, erspart dem Staat durch nicht zu leistende Sozialunterstützungen, geringere Gesundheitskosten und Steuereinnahmen hohe Folgekosten. Der Return on Investment ist höher als bei vielen Wirtschaftsförderungen. Im Kontext von Präventionsprogrammen zum Kinderschutz rechnet die Weltgesundheitsorganisation WHO (2013) für jeden Euro, der in Hausbesuche investiert wird, mit einer Einsparung von 5,7 Euro an Folgekosten. Jedes Kind, das später als Fachkraft im Erwerbsleben zum Erhalt und Funktionieren unserer Systeme beitragen kann, ist um ein Vielfaches mehr wert, als es jemals an Unterstützungsleistungen gekostet hat.
Die Ausgaben für unsere Angebote und die der anderen Sozialorganisationen sichern den Zusammenhalt, den sozialen Frieden und ein gutes Miteinander. Was Vorarlberg stark macht, sind die Menschen und genau in deren Zukunft investieren wir mit unseren Maßnahmen.
Simon Burtscher-Mathis und Alexandra Wucher, Geschäftsführung Vorarlberger Kinderdorf